Sonne Di Feb 19, 2013 4:35 am
Hi Lene,
hatte/habe eine ähnliche Situation. War in Algerien, noch als Vegetarierin und bei der Einladung hat die Hausherrin eigens geschlachtetes Hühnchen servierte (es war auch noch ein Geschäftskontakt von meinem Freund). In vielen Ländern ist es so, das solche Gesten wesentlich höher bewertet werden als bei uns. Daher ist eine Ablehnung ein Schmach... undenkbar und beleidigend. Wie das in Equador ist, weiß ich allerdings nicht.
Dazu kommt, dass viele gar kein Verständnis davon haben, was als gedanklicher Unterbau hinter der Entscheidung steht. In Algerien beispielsweise gibt es sehr wenige Vegetarierinnen. Und die machen das aus Schönheitsgründen (laut Erklärungen der Gastfamilie).
Ich würde es versuchen mich mit einer gesundheitlichen Begründung zu rechtfertigen. Es ist für uns schwer vorstellbar, dass unsere ethischen Begründungsmuster nicht verstanden oder nachvollzogen werden können. Aber so ist es in manchen Kulturkreisen eben. Es ist so ähnlich wie mit der Töchtertötung in Indien oder der Beschneidung von Mädchen in Afrika. Es ist für uns auch kaum nachvollziehbar warum dies geschieht. Ohne das vergleichen zu wollen, würde ich aber sagen, dass diese Beispiele die unterschiedlichen "Kulturlogiken" und -verständnisse verdeutlicht. Und nein, man tut den Menschen dort keinen Gefallen, indem man versucht "es ihnen zu erklären". Dazu kommt die Sprachbarriere. Du hast schon erwähnt, das "die Wahl haben" eine Sache des Luxus ist. Daher stellt sich diese ethische Frage auch für viele Menschen gar nicht. (Individualisierung und Identitätsgenerierung durch Nahrung ist ein postmodernes Phänomen in der "westlichen" Welt). Indirekte Kritik an der heimischen Küche könnte auch als Angriff verstanden werden (im Rahmen der Küche als Ethnoküche). Auf jeden Fall macht einen Ablehnung der örtlichen Gegebenheiten nicht gerade beliebt.
Persönlich bin ich auch der Ansicht, dass bei noch frischen Kontakten und Bekanntschaften es schwierig ist über ethische Normen zu sprechen. Es kann anders sein, muss aber nicht.
Ich persönlich gehe davon aus, dass ich als Veganerin in Algerien nicht durchkomme. Keinesfalls. Ganz einfach, weil ich dann gar nichts mehr essen kann. Salat gibt es nur in (teuren) europäischen Restaurants. Die algerische Küche ist fleischlastig. Gemüse gibts zwar auch, aber in Fleischbrühe mit Fleisch natürlich.
Auf Mahlzeiten, auf die du Einfluss hast, da kannst du ja im Rahmen der Möglichkeiten vegan kochen wie du möchtest. Als Pragmatikerin würde ich persönlich jedoch eben nicht den Veganismus über alles stellen. Meine liberale Haltung beschert mir allerdings auch öfter Schelte innerhalb der vegan community. Ist nur meine Meinung, von einer, die die Situation schon hatte.
http://sceptics.wordpress.com/2012/08/19/gedanken-in-den-grauzonen/