gelbetomate Fr März 26, 2010 9:36 am
APA0372 5 CI 0386 II Fr, 26.Mär 2010
Gericht/Tiere/Justiz/Niederösterreich/Wien
Tierschützer-Prozess - Anwälte: Vorwürfe betreffen fast nur Gesinnung
Utl.: Staatsanwaltschaft "originell" in Interpretation des
Mafia-Paragrafen - Verfahren "bis dato ordnungsgemäß",
Richterin "bemüht" =
Wien (APA) - Die Einvernahmen der 13 wegen Beteiligung an einer kriminellen Organisation beschuldigten Aktivisten im Wiener Neustädter Tierschützer-Prozess sind fast abgeschlossen. Aus diesem Anlass zogen einige Verteidiger und Angeklagte am Freitag bei einer Pressekonferenz in Wien eine vorläufige Bilanz aus ihrer Sicht. Das Verfahren werde fair und "bis dato ordnungsgemäß" geführt, meinte Stefan Traxler, Anwalt von fünf Angeklagten. Die Vorwürfe der Staatsanwaltschaft würden aber "weniger konkrete Straftaten, sondern mehr Interpretationen und Gesinnungsfragen" betreffen, stellte Josef Philipp Bischof fest, der zwei Aktivisten vertritt.
Nach jahrelanger Observation sollte man doch konkrete E-Mails vorlegen können, die für den Paragrafen 278a relevant seien - in dem Sinn, dass darin auch konkrete Straftaten geplant werden, meinte Bischof. Dies sei aber nicht der Fall. Stattdessen gebe es Vorwürfe wie das wiederholte Auskundschaften von Legebatterien zur Dokumentation und Strategienentwicklung. Er könne sich allerdings keine kriminelle Organisation vorstellen, die Interesse an Bildern von gequälten Hühner habe, so der Verteidiger. In der Interpretation des Mafia-Paragrafen sei die Staatsanwaltschaft "originell".
"Die Vorwürfe allein sprechen für sich. Es gibt keinen Bezug zu Straftaten", resümierte der Erstangeklagte Martin Balluch, der Kopf der inkriminierten Organisation sein soll. "Ein Freispruch ist unumgänglich für alle, die sich das angeschaut haben." Auch Prozessbeobachter und Menschenrechtsexperte Eugen Theuer äußerte Bedenken: Die vorgeworfenen Taten bestünden aus NGO-Aktivitäten, Demos, E-Mails und angeblichen Kontakten zu radikalen Tierschützern - "Dinge, die nicht einmal die Verwaltungsbehörde interessieren würden".
Einmal mehr wurde auch Kritik an den Ermittlungen der Soko laut. Bis heute habe die Polizei nicht den gesamten Ermittlungsakt herausgegeben, empörte sich Traxler. Entlastendes finde sich zwar haufenweise im Akt, sei aber im Abschlussbericht einfach weggelassen worden. "Aus meiner Sicht hat sich die Polizei von Anfang an verrannt", sagte der dreizehntangeklagte Harald Balluch, Geschäftsführer des Vereins Gegen Tierfabriken (VGT). Man habe einfach angenommen, dass die Anschläge in Zusammenhang mit den Leuten stehen würden, die Demos veranstalten. Daher seien die meisten Straftaten bisher auch nicht geklärt worden.
Richterin Sonja Arleth erhielt dagegen gute Kritik. Sie sei sehr "bemüht", meinte Traxler, notwendigerweise aber auch streng. Dass der Prozess noch vor dem Sommer endet - Verhandlungstage sind bis zum 17. Juni ausgeschrieben - hielt er aber für unwahrscheinlich: "Es ist zu befürchten, dass wir bis in den Herbst kommen."
(Schluss) vef/km
APA0372 2010-03-26/13:53
261353 Mär 10