human vegetable Do Okt 17, 2013 11:23 pm
Ich wage mal folgende Behauptungen bzgl. Kraftsport und Sucht aufzustellen:
1) Es mag auch eine "Kraftsport-Sucht" geben, aber die ist fundamental anders als "Ausdauersport-Sucht".
2) Während bei Ausdauersportsucht das "runner's high" (Endorphin-Kick bei langer aerober sportlicher Betätigung) im Mittelpunkt steht, also die Ausübung der Sportart selbst, geht es bei Kraftsportsucht eher um das Ergebnis (entweder Demonstration großer Stärke, großer Muckis oder ästhetischer Proportionen).
3) Insofern äußert sich Kraftsportsucht dann auch anders:
- Die typischen Gym-Rats, die jeden Tag Stunden in der Muckibude verplempern, reißen nicht einen Satz 20rep squats nach dem anderen runter bis sie zusammenbrechen, sondern versuchen durch soziale Interaktion und wildes Rumgepose ihr Selbstbild als Kraftsportler/Bodybuilder zu zementieren.
- Es wird gesundheitsgefährdender Umfang oder Intensität nicht deswegen gefahren, weil der Sportler es so schrecklich geil findet, sondern weil er sich davon bessere Ergebnisse erhofft.
- Konsum gesundheitsgefährdender Substanzen (Doping) wird ebenfalls aus diesem Grund erwogen.
- Alle Lebensbereiche (Beruf, Beziehung, Ernährung, etc.) wird einseitig auf dieses Ziel ausgerichtet. Ein Ausdauersportsüchtiger kann sich auch schlecht ernähren, vielleicht kommt das "runner's high" dann sogar früher. Für einen "süchtigen" BB wäre das undenkbar.
4) Therapie von Kraftsportsucht muss am Selbstbild und beim Hinterfragen innerer Glaubenssätze ansetzen:
- "Um respektiert zu werden, muss ich größer und stärker als andere sein."
- "Um geliebt zu werden, muss ich attraktiv aussehen." etc.
Es geht also darum, dem Betroffenen klarzumachen, dass er sein Selbstwertgefühl vom sportlichen Erfolg abkoppeln muss... leicht gesagt.
Dazu gibt es schon einige Bücher, Stichworte "body dysmorphia/body dysmorphic disorder (BDD)", "biggorexia".
Zum Thema Suchtdefinition:
Trotz der Doping-Verstrickung ist Kraftsportsucht keine substanzgebundene Abhängigkeit (wie vielleicht Ausdauersportsoucht - Sucht nach selbst produzierten Endorphinen), sondern (wenn überhaupt) eine Verhaltenssucht und damit sehr viel schwieriger einzugrenzen.
Die folgenden Kriterien scheinen mir besonders wichtig, um relativ objektiv festzustellen, ob jemand unter "Sportsucht" leidet:
- Körperliche Schäden: Das Sportpensum (bzw. damit zusammenhängende sonstige Aktivitäten) beeinträchtigen objektiv die physische Gesundheit.
- Toleranzentwicklung: Dem Suchtverhalten wird immer mehr Zeit/Wichtigkeit eingeräumt. Es findet keine "Stabilisierung" auf welchem Niveau auch immer statt.
- Kontrollverlust: Sogar wenn der Süchtige selbst es will, kann er sein Verhalten nicht ändern/stoppen.
Ob die jetzt alle drei erfüllt sein müssen - keine Ahnung. Aber wenn alle drei nicht erfüllt sind, kann man m. M. n. nicht von Sucht sprechen.
Die anderen oft verwendeten Kriterien sind im Bezug auf Sportsucht zu schwammig. Wenn jemand keine Familie haben will oder bestimmte Berufe nicht ausüben will, um seine sportliche Leistung nicht zu beeinträchtigen, ist das aus meiner Sicht erstmal eine individuelle Lebensentscheidung und noch keine Sucht.