Vor etwa drei Jahren habe ich dann "Eat to Live" von Joel Fuhrman gelesen, und das hat mich zu einem Experiment inspiriert: Ich ging von Null auf Hundert (oder besser gesagt andersrum) von einer low-carb, Atkinsmäßigen Ernährung zu einer (relativ) low fat rein pflanzlichen. Nach mehreren Wochen ließ ich meine Blutwerte testen, und siehe da: Gesamtcholesterin war tatsächlich beträchtlich gesunken. Der Start in den Veganismus war also rein gesundheitlich motiviert.
Mittlerweile hat sich meine Einstellung aber in zweierlei Hinsicht verändert: Einerseits bin ich heute nicht mehr überzeugt, dass bessere Gesundheit ein schlagendes Argument für Veganismus ist. Zwar macht eine starke Verringerung des Konsums tierischer Produkte für den Normalbürger unbedingt Sinn, aber wer ganz darauf verzichten möchte, muss schon aufpassen, keine Unterversorgung einzelner Nährstoffe in Kauf zu nehmen. Das soll nicht heißen, dass vegane Ernährung ungesund ist, sondern nur, dass es logistisch aufwändiger ist als mehrmals wöchentlich kleinere Mengen tierischer Produkte zu essen.
Andererseits habe ich mich stärker mit den ethischen, ökologischen und wirtschaftlichen Hintergründen unserer Ernährung auseinandergesetzt, und sehe hier nun die schlagendsten Argumente für überwiegend pflanzliche Kost. Dabei funktioniert das bei mir alles sehr kognitiv, und die Videos aus dem Schlachthaus etc. haben eigentlich nie großen Eindruck hinterlassen. Auch der Begriff "Tierrechte" verursacht mir leichtes Unbehagen, meine Motivation ist weiterhin speziesistisch, dass ich nämlich auch meinen Kindern und Kindeskindern eine lebenswerte Umwelt sichern will.
Letztlich wäre ohne das ethische Kriterium aber auch das ökologische kein ausreichender Grund, 100% auf tierische Produkte zu verzichten. Es wäre sicherlich immer noch möglich, kleine Mengen nachhaltig erzeugter tierischer Lebensmittel aus regionaler Produktion zum angemessenen Preis zu konsumieren (wie es über Jahrmillionen ganz gut lief), ohne das langfristige Überleben der menschlichen Rasse zu gefährden.
Warum also dann vegan (oder besser gesagt, streng vegetarisch, da ich die vegane Weltsicht ja nur eingeschränkt teile)? Wie ich anfangs schon sagte, das steckt in mir drin. Selbstbeschränkung durch restriktive Ernährungslehren verschafft mir auf irgendeine (perverse?) Weise Lustgewinn, und die erstaunten bis dümmlichen Reaktionen meiner Umwelt befriedigen ebenfalls meine niederen Instinkte.
Wenn ich das rationalisieren wollte, dann würde ich sagen, mein Verhalten hat ein aufklärerisches Ziel: Meine Umwelt muss sich der Tatsache stellen, dass tierische Produkte eben nicht notwendig sind, um gesund und fit zu sein, und deswegen ihre Einstellung zur Ernährung überdenken.
Ich hoffe, es ist mir gelungen, meine Antriebsgründe selbstkritisch darzustellen, und kein ethisch motivierter Veganer fühlt sich auf die Füße getreten. Das war nicht meine Absicht, denn das ethische Argument ist auch für mich das stärkste (nur mit meiner persönlichen Empathie mit der Kreatur hapert es halt). Wenn ich das Richtige aus den falschen Gründen tue, dann wird es ja dadurch nicht falsch.